Tipps zum Schutz vor Insektenstichen
Prof. Dr. med. Bernhard Homey, Allergologe der Medizinischen Einrichtung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, gibt Tipps, wie Sie sich vor Insektenstichen schützen und wie Sie sich richtig verhalten, wenn Wespen und Bienen in der Luft herumschwirren:
1. Ruhe bewahren. Zugegeben, Insekten können unangenehm sein und die Angst vor Stichen ist berechtigt. Bewahren Sie trotzdem Ruhe, wenn Sie von Wespen umschwirrt werden – hektische Bewegungen oder Anpusten machen die fliegenden Störenfriede nur aggressiver.
2. Nicht barfuss laufen. Im Freibad, im eigenen Garten oder auf einer Wiese ist es schnell passiert: Man ist unachtsam, tritt auf eine Biene oder Wespe und wird gestochen. Besonders Bienen halten sich häufig in Bodennähe auf, da sie dort in den Blüten Nektar sammeln. Tragen Sie also lieber geschlossene Schuhe.
3. Helle und eng geschnittene Kleidung tragen. Bunte Kleidung zieht Insekten an – tragen Sie besser helle Farbtöne. In eng anliegenden Kleidern verfangen sich Insekten nicht so leicht.
4. Auf Parfum verzichten. Insekten werden von intensiven Düften angezogen. Verzichten Sie deswegen im Sommer lieber auf intensive Parfums, Cremes und Haarsprays.
5. Getränke mit Strohhalm trinken. Insbesondere Wespen werden stark von zuckerhaltigen Getränken angezogen und setzen sich gerne in Trinkgläser und unverschlossene Flaschen. Gefährlich wird es, wenn man versehentlich eine Wespe verschluckt und in Mund oder Hals gestochen wird. Deswegen gilt: Trinkgefässe verschliessen und immer einen Strohhalm benutzen.
6. Vorsicht beim Essen draussen. Bei Picknick und Grillabenden im Freien besonders vorsichtig sein. Decken Sie Speisen ab und blicken Sie zusätzlich vor jedem Bissen auf Ihr Besteck.
7. Distanz zu Mülleimern halten. Wespen halten sich gerne in der Nähe von Mülleimern auf, da sie dort Nahrung im Überfluss finden. Meiden Sie daher Mülleimer und benutzen Sie bestenfalls keine öffentlichen Mülltonnen. Ihren unterwegs anfallenden Abfall können Sie auch mitnehmen und zu Hause entsorgen.
8. Reifes Obst zügig abernten. Reifes Obst ist besonders zuckerhaltig und lockt somit umso mehr Insekten an. Achten Sie darauf, Obstbäume und Beerensträucher rechtzeitig und regelmässig abzuernten, sonst haben Sie schnell mehr fliegende Besucher als Sie sich wünschen.
9. Zur Vorsorge impfen lassen. Eine Insektengiftimpfung bietet Allergikern wirkungsvollen Schutz vor einem potenziell lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock. Die sogennannte spezifische Immuntherapie (SIT) wird von der WHO ausdrücklich empfohlen.
"Treten im Falle eines Insektenstichs auffällige körperliche Reaktionen wie Kurzatmigkeit, Hautausschlag oder Übelkeit auf, sollte umgehend der Notarzt gerufen werden. Menschen, die bereits von einer Insektengiftallergie wissen, sollten ihre Notfallmedikation stets griffbereit halten und ihr Umfeld über die Allergie und notwendige Hilfsmassnahmen aufklären. Noch besser ist, wenn sie durch eine Insektengiftimpfung langfristig vorbeugen und damit das Risiko eines allergischen Schocks auf ein Minimum reduzieren."
Wohin wende ich mich bei einem Verdacht auf eine Bienen- oder Wespengiftallergie?
Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Hemmer (AT): Betroffene sollten sich ca. vier Wochen nach dem Stich an einen spezialisierten Facharzt, an ein Allergie-Ambulatorium oder eine Allergie-Ambulanz im Krankenhaus wenden. Allergie-Spezialisten können eine sichere Diagnose durchführen, Medikamente für den Notfall verschreiben, den Patienten kompetent über seine Gefährdung aufklären und gemeinsam mit ihm eine adäquate Therapie festlegen.
Wie erkennt man eine allergische Reaktion?
OA Priv.-Doz. Mag. Dr. Stefan Wöhrl (AT): Sobald nach einem Stich Zeichen einer Systemreaktion wie Atemnot, Schwindel oder Zungenschwellungen auftreten oder die lokale Schwellung um die Einstichstelle unnatürlich gross wird (grösser als 10 cm) und länger als 24 Stunden anhält, ist der Verdacht auf eine Allergie gegeben. Für eine sichere Diagnose sollten Betroffene daher unbedingt einen auf Allergien spezialisieren Arzt aufsuchen.
Wie kann ich mich vor einer Insektengiftallergie durch Bienen und Wespen schützen?
Prof. Dr. Thomas Fuchs (DE): Bienen- und Wespengiftallergien können durch Medikamente sehr gut behandelt werden. Bei einer allergenspezifischen Immuntherapie mit Bienen- oder Wespengift (sog. Allergie-Impfung) wird ein sicherer klinischer Schutz erreicht. Darum ist es schwer zu verstehen, warum immer noch zu wenig Menschen auf eine Bienen- oder Wespengiftallergie untersucht und behandelt werden. Bei Verdacht auf eine Insektengiftallergie empfiehlt es sich, einen Allergologen auf zu suchen. Er kann Sie über Schutz- und Therapiemassnahmen informieren und wird bestimmte Untersuchungen durchführen, beispielsweise Hauttests oder Blutuntersuchungen. Wird eine Allergie festgestellt, ist immer ein medikamentöses Notfallset ratsam, das ein Antihistaminikum, ein Kortisonpräparat und Adrenalin beinhaltet. Sie sollten im Freien Speisen und Getränke abdecken, die Insekten wie Bienen und Wespen anlocken. Bienen suchen auf Wiesen auch Blüten auf, Wespen nisten in Gräsern. Wer barfuss läuft, sollte darauf achten.
Wie läuft die Allergie-Impfung (spezifische Immuntherapie) ab?
Prof. Dr. med. Arthur Helbling (CH): Für die Therapie kommt richtiges Bienen- oder Wespengift zum Einsatz. Der Impfschutz wird durch eine kontinuierliche Steigerung der Dosis erreicht: mit wöchentlichen Spritzen (über eine Zeitdauer von 2 bis 3 Monaten) oder mit mehreren Spritzen innerhalb weniger Stunden auf der Intensivstation. Nach Erreichen der Erhaltungsdosis (sie entspricht 1 bis 2 Bienenstichen oder mehreren Wespenstichen) wird der Patient alle 4 bis 6 Wochen durch den Hausarzt gespritzt. Die Immuntherapie dauert üblicherweise 5 Jahre und wird auch bei Kindern ab Kindergartenalter durchgeführt.
Wie hoch ist der Therapieerfolg durch eine spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung, "Allergie-Impfung")?
Prof. Dr. Bernhard Przybilla (DE): Lange wurde von einem Therapieerfolg bei etwa 75-95% der Behandelten ausgegangen. Wie wir heute wissen, können fast alle Patienten, bei denen die Standarddosis der Erhaltungstherapie von 100 µg Insektengift nicht ausreichend ist, durch eine höhere Erhaltungsdosis, meistens genügen dann 200 µg, vor einer neuerlichen Allgemeinreaktion geschützt werden. Um ein Versagen der Hyposensibilisierung zu erkennen, sollte ein Stichprovokationstest mit einem lebenden Insekt nach etwa 6-12 monatiger Behandlung durchgeführt werden - ggf. ist dann die Dosis zu erhöhen. Meist kann die spezifische Immuntherapie mit Insektengift nach 5 Jahren beendet werden, es besteht allerdings ein gewisses Risiko des Wiederauftretens der Erkrankung. Aus diesem Grunde werden zur Sicherung des Erfolges Patienten mit besonderen Risiken länger, solche mit sehr hohem Risiko, wie beispielsweise mit einer Mastozytose, lebenslang behandelt.
Kann eine Allergie von alleine plötzlich wieder weggehen?
OA Priv.-Doz. Mag. Dr. Stefan Wöhrl (AT): Es besteht eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Allergie spontan ausheilt. Man kann diese Patienten allerdings nicht von jenen unterscheiden, die auch noch nach Jahrzehnten an einem allergisch bedingten Herz-Kreislauf oder Atemwegsversagen (med. anaphylaktischer Schock) versterben. Aus diesem Grund sollen alle Patienten mit schweren Reaktionen auf Bienen- und Wespenstiche allergologisch betreut werden. Auf eine Spontanheilung zu warten ist nach meiner Ansicht fahrlässig.
Betrifft eine Bienen- oder Wespengiftallergie auch Kinder und Jugendliche?
Univ.-Prof. Dr. Eva-Maria Varga (AT): Eine allergische Reaktion auf Bienen-, Wespen- und Hornissenstiche kommt bei Kindern und Jugendlichen seltener vor als bei Erwachsenen. Dennoch sollte bei einem Insektenstich beobachtet werden, wie sich die Einstichstelle entwickelt (z.B. die Schwellung der Einstichstelle wird grösser als 10 cm bzw. dauert länger als 24 Stunden an). Sollte sich innerhalb der ersten 30 Minuten nach dem Stich eine allergische Reaktion entwickeln (Juckreiz, Nesselausschlag, Atemnot) muss sofort ein Notarzt alarmiert werden. Zur weiterführenden Abklärung einer Insektengiftallergie sollte ein allergologisch versierter Arzt aufgesucht werden.
Ab welchem Alter kommt die Immuntherapie zum Einsatz?
Univ.-Prof. Dr. Eva-Maria Varga (AT): Die Allergie-Impfung (spezifische Immuntherapie) kann laut Weltgesundheitsorganisation WHO ab dem 5. Lebensjahr durchgeführt werden. Im Falle einer Insektengiftallergie, die über eine Hautreaktion hinausgeht (Schwellung des Kehlkopfs, Bronchienverengung und/oder Herz-Kreislaufbeteiligung), kann die spezifische Immuntherapie auch schon bei jüngeren Kindern zum Einsatz kommen.
Ist die Immuntherapie bei allen betroffenen Personen wirksam?
Prof. Dr. med. Arthur Helbling (CH): Personen mit schweren allergischen Allgemeinreaktionen (Beschwerden der Atemwege und/oder des Kreislaufs) wird die spezifische Immuntherapie (Desensibilisierung) empfohlen. Deren Wirksamkeit haben kontrollierte Studien belegt: Mit Bienengift kann ein vollständiger Schutz in über 80%, mit Wespengift bei gut 95% der Patienten erreicht werden. Bei einem kleinen Prozentsatz, bei dem der Impfschutz nicht vollständig wirksam ist, kommt es noch zu schwächeren allergischen Reaktionen. Bei diesen Patienten kann durch eine Erhöhung der Giftdosis (SIT) oft ein vollständiger Schutz erreicht werden.
Wie verhalte ich mich bei einem allergischen Schock?
OA Prof. Dr. Rainer Schmid (AT): Als erstes muss der Stachel entfernt werden, um die Giftzufuhr zu stoppen. Danach Notfallmedikamente einnehmen (bzw. verabreichen lassen). Bei Kreislaufproblemen (Benommenheit, Kollaps) auf den Rücken legen und die Beine hoch lagern, bei Atemproblemen sitzende Position einnehmen. Treten Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit, Atemproblemen oder Kollaps auf, sofort den Notarzt rufen. Bei leichteren allergischen Reaktionen, die keinen Notarzt erforderlich machen, sollte man anschliessend trotzdem einen Arzt aufsuchen. Jedoch nach einem Stich nicht alleine zum Arzt gehen, da das Risiko für schwere körperliche Reaktionen nach dem Stich noch über einige Stunden bestehen kann.
Wofür brauchen Insektengiftallergiker ein Notfall-Set?
OA Prof. Dr. Rainer Schmid (AT): Da bis zum Eintreffen des Notarztes/des Rettungsdienstes wertvolle Minuten vergehen, ist es wichtig, dass sich Allergiker in einer Notsituation anfangs selbst versorgen können. Deshalb sollten sie in den Sommermonaten auch immer die vom Arzt verordneten Notfallmedikamente bei sich tragen und richtig anwenden können. Ausserdem empfiehlt es sich, Familie, Kollegen und Freunde über die Allergie zu informieren, damit sie im Notfall wissen was zu tun ist. Aber Achtung: Trotz Anwendung des Notfall-Sets immer den Notarzt alarmieren!
Welche Personen sind besonders gefährdet an einem Allergieschock zu sterben und wie können sie sich schützen?
Prof. Dr. Bernhard Przybilla (DE): Ein besonders hohes Risiko für sehr schwere Anaphylaxie (d.h. Allergieschock oder Herz-Kreislaufstillstand) besteht bei Patienten mit einer Mastozytose oder einem erhöhten Spiegel von Tryptase im Blut. Bei Mastozytose sind die Mastzellen, für die Auslösung der Anaphylaxie wesentliche Zellen, in der Haut oder inneren Organen vermehrt. An der Haut können dabei bräunliche, Muttermalen ähnelnde Flecken auftreten, dies muss aber nicht der Fall sein. Tryptase ist ein Botenstoff der Mastzellen, ein erhöhter Spiegel im Blut kann auf eine Mastozytose hinweisen, aber auch ohne diese Erkrankung gefunden werden. Bei Mastozytose oder erhöhter Serumtryptase ist die spezifische Immuntherapie mit Insektengift besonders dringlich, manchmal sind hier Modifikationen des üblichen Vorgehens nötig. Dadurch können auch diese Patienten vor erneuter Anaphylaxie geschützt werden.